DAS ZWEITE JAHR – 38

Das erste Jahr Babybuddha jetzt auf:

http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/babybuddha/978-3-446-25239-4/

oder über den Online-Buchhandel

38

Gegen was tauschen wir dich ein, kleines Baby? Du wächst und wächst, aber wohin, in was hinein, zu was heraus?

An die Macht? (In der Tageszeitung sehen wir auf der ersten Seite eine Babyfaust. Darüber die Zeile: Kinder an die Macht. Das Bild zum Text ist sonderbar wüst. Die rosige, hoch gereckte Faust vor schwarzem Hintergrund: – als Faust scheint sich hier die Macht aus der Schwärze herauszuheben, um sich durchzusetzen in der lichten Welt, um zuzuschlagen. Da die Faust zum Greifen, Festhalten, Behüten völlig ungeeignet ist – wie könnte sie da zur Macht geeignet sein? Selbst zum Zerstören taugt sie nicht besonders, höchstens für die gröbsten Arbeiten. Der Faust des Babys fehlt es obendrein an Spannung, es ist eine in sich ruhende Faust, die sich Tag für Tag mehr zur Hand entfaltet, einer sich langsam der Welt nähernden Hand, die sich ihrer nicht bemächtigen will, auch wenn sie gerne zupackt. Auch wenn sie eine Stunde lang eine Kastanie, einen Stein, ein Keks halten kann, wie kein Erwachsener eine Kastanie, einen Stein, ein Keks halten kann, vergisst diese Faust nie, sich wieder zu öffnen. – Die Kastanie, der Stein, das Keks sind hinterher durchgewärmt in einer Art, in der sonst nur noch die Sonne in der Lage ist, etwas durchzuwärmen: das ist die Faust des Babys.)

Don deLillo lässt in Zero Null eine sterbende, vielleicht schon gestorbene Frau sagen: … Wo bin ich. Was ist ein Ort. Ich kenne das Gefühl eines Irgendwo aber ich weiß nicht wo das ist … Was ich verstehe kommt von nirgendwo. Ich weiß nicht was ich verstehe bis ich es sage … Ich versuche jemand zu werden … Einiges weiß ich fast. Ich denke gleich werde ich etwas wissen aber dann kommt es doch nicht dazu … (Das Denken ist unsichtbar, die Wörter sind unsichtbar. Die Sprache ist unsichtbar. Später, wenn unser Baby, nicht mehr Baby, einmal wird schreiben und lesen können, wird es um so besser schreiben und lesen können, um so mehr es sich nicht von der Sichtbarkeit wird täuschen lassen. Das Denken hat viel mehr mit dem Hören zu tun, als mit dem Sehen. Um das zu erfahren, sollte unser Baby nicht bis zum tödlichen Ende warten. – Unser Baby weigert sich in meine Augen zu blicken, als ich ihm verbiete, es versuche, die guten Bücher aus dem Regal zu ziehen. Wenn ich so etwas sage, will es mich nicht sehen. Es ist so mächtig, dass es mich aus seinem Blick verbannen kann. Gesunde Macht, die ich mir stolz gefallen lasse. Aber die guten Bücher ….)

Wohin verwandelst du dich, wohinein? Woheraus? Manchmal steht unser Baby da, tagelang kommt uns vor, am gleichen Fleck, keine Veränderung, keine Entwicklung, keine Verwandlung. Das ist am unbegreiflichsten. (In diesen Momenten, Stunden, Tagen gleicht es uns. Wir könnten meinen, es würde uns damit in Schutz nehmen vor all unseren – unerfüllten – Wünschen nach Veränderung. Doch nichts liegt ihm ferner.)

Du bist Natur? (Natur! Wir sind von ihr umgeben und umschlungen – unvermögend aus ihr herauszutreten, und unvermögend tiefer in sie hineinzukommen … Sie schafft ewig neue Gestalten, was da ist war noch nie, was war kommt nicht wieder … Wir leben mitten in ihr und sind ihr fremde. Sie spricht unaufhörlich mit uns und verrät uns ihr Geheimnis nicht. Wir wirken beständig auf sie und haben doch keine Gewalt über sie … Sie scheint alles auf Individualität angelegt zu haben und macht sich nichts aus den Individuen … Sie lebt in lauter Kindern, und die Mutter, wo ist sie? – Goethe – Unser Mann. Du bist wie die Natur. Du bist wie Natur. Du bist Natur.)

Es ist vielleicht eigennützig, aber wieder trage ich unser Kind durchs Museum. Ein paar Bilder nur. Doch Bilder sind ihm zuviel. Bild an sich ist zuviel. An einem Bild lässt sich nichts Flüssiges finden, nichts Bewegliches, nichts Durchsichtiges. Bilder sind Bilder. Wir rasten vor Joseph Karl Stielers Goethe-Porträt. Dass Goethe den Blick von den Gedichten eines Königs, die seine rechte Hand hält, zur Seite hin abwendet, scheint mir ein gutes Zeichen zu sein. Unser Baby findet überhaupt nichts an diesem Bild, es ist fast so, als würde es das Bild nicht sehen, als könnte es überhaupt Bilder nicht sehen. Dann aber der Ruf zu Goethe hinauf: Opa!

Die Frage ist falsch. Unser Baby wächst in nichts hinein, zu nichts heraus. Es ist eben Natur, ohne Gestalt, ohne Ende. Sogar ohne Form. Es ist nur ein ähnlicher Mensch. Schon hunderte Male hat es sich gewandelt. Dieser Eindruck rührt nicht von seinen neu erworbenen Fähigkeiten her, es ist eher etwas Atmosphärisches zwischen uns. Natürlich wollen wir an den Charakter unseres Kindes glauben, an seine Individualität und Erkennbarkeit. Ein nötiger Glaube, der uns aber nicht den Blick auf das rätselhafte Wesen verstellt, das sich täglich neu erschafft. Das uns vollkommen fremd ist und uns vielleicht deswegen mit soviel Wärme, Vertrauen, Innigkeit entgegenströmt. So können wir zu unserem Baby nicht sagen: du bist der und der. Wir könnten zu uns sagen: So ein Baby ist gut erfunden.

What are we exchanging you for, little baby? You are growing and growing, but what are your growing into, or out to? What are you coming to?

Power? (On the first page of today’s newspaper we see a baby’s fist. Above it a statement: Power to the children. The picture is weirdly wild. The rosy fist, raised high, against a black background: — here power seems to rise as a fist from blackness to strike a blow at the light-filled world. Since a fist is utterly incapable of grasping, holding, or protecting – how could it be capable of power? It’s not even particularly well equipped for destruction; at best it can manage the crudest sorts of work. A baby’s fist, moreover, lacks tension; this fist rests within itself, developing more and more into a hand as the days pass, a hand that approaches the world gradually, and that does not want to take possession of it, though it does like to grip and grab. Even though it can hold a chestnut, a stone, a cookie for a full hour, in a way that no adult can hold a chestnut, a stone, or a cookie, this fist never forgets to open out again. Later the chestnut, the stone, the cookie are warm through and through, in a way that only the sun can warm a thing through and through: such is the baby’s fist.)

In his novel Zero K, Don Delillo has a dying, perhaps already deceased woman say: . . . Where am I. What is a place. I know the feeling of somewhere but I don’t know where it is. . . What I understand comes from nowhere. I don’t know what I understand until I say it. . .I am trying to become someone. . . I almost know some things. I think I am going to know things but then it does not happen. . . (Thought is invisible, words are invisible. Language is invisible. Later, when our baby, no longer a baby, will be able to write and read, he will be able to write and read all the better the more he succeeds in remaining undeceived by what is visible. Thought has much more in common with hearing than with seeing. To realize this, our baby should not have to wait until the deadly end – Our baby refuses to look into my eyes when I forbid him to pull the good books from the shelf. When I say something like that, he does not want to see me. He is so powerful that he can banish me from his sight. A healthy power, which I gladly put up with. But the good books . . .)

Where is your transformation taking you, what are you changing into, and out from? Sometimes our baby stands there, for days, it seems to us, on the same spot, no change, no development, no transformation. This is the most incomprehensible thing. (At such moments, hours, days, he resembles us. We could be tempted to think that in this way he wants to protect us from our – unfulfilled – desires for change. But nothing could be further from his mind.)

You are nature? (Nature! We are surrounded, engulfed by nature, incapable of leaving it, and incapable of penetrating more deeply into her depths . . . She creates eternally new forms, what is has never before existed, what was will never come back again . . . We live in her midst and yet are strangers to her. She speaks to us incessantly and does not reveal her secret to us. We constantly impinge upon her and yet have no power over her . . . She seems intent on individuality and does not care for individuals . . . She lives in countless children, but the mother, where is she? – Goethe – our man. You are like nature. You are like Nature. You are Nature.)

It may be self-serving, but once again I am carrying our child through the museum. Just a few paintings. But paintings are too much for him. A painting, any painting, is too much. There’s nothing fluid in a painting, nothing in motion, nothing transparent. Paintings are paintings. We halt in front of Joseph Karl Stieler’s portrait of Goethe. The fact that Goethe’s gaze is turning away from the poems by a king which his right hand is holding strikes me as a good sign. Our baby finds nothing in this picture at all, it’s almost as if he doesn’t see the picture, as though he is incapable of seeing any pictures. But then, looking up at Goethe, he calls out: Grandpa!

The question is wrong. Our baby isn’t growing into anything, out to anything. He is simply Nature, without structure, without end. Even without form. He is merely a similar human being. He has already changed hundreds of times. This impression has nothing to do with his newly acquired abilities, it is more like an atmosphere between us. Of course we want to believe in the character of our child, in his individuality, his recognizability. A necessary belief, which however does not occlude our view of the mysterious being who creates himself anew each day. Who is a complete stranger to us and perhaps for that reason streams so much warmth, trust, and tenderness in our direction. Thus we cannot say to our baby: you are this or that person. We could say to ourselves: A baby like this is well invented.

DAS ZWEITE JAHR – 37

Das erste Jahr Babybuddha jetzt auf:

http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/babybuddha/978-3-446-25239-4/

oder über den Online-Buchhandel

37

Das Unglück der Anderen ist kein Märchen. Und doch trägt es ähnliche Züge. Schon deshalb, weil wir es nicht sehen können. Nicht sehen können, selbst, wenn wir es sehen. Und weil wir nicht wissen, ob wir ihm zurecht diese Bezeichnung geben dürfen: Unglück. Wir denken: das ist das Unglück. Genauso verwegen, anmaßend, vorschnell urteilen wir manchmal: das ist das Glück. Wir suchen das Unglück außerhalb von uns. Tatsächlich suchen wir es, eine leichte Suche, die schnell fündig wird. Es gibt soviel Unglück und überall. Das Glück ist seltener. Lässt es sich in uns finden, geschieht es plötzlich. Ebenso plötzlich wie es wieder verschwindet. Das Unglück ist beständiger. Es sitzt mit großer Ausdauer auf der Straße. Auf der Straße, die wir mehrmals die Woche entlanglaufen. Unsere wichtigeste Einkaufsstraße. Unsere Unglücksstraße. Dort und dort sitzt das Unglück und kann sich nicht wehren. Will sich nicht wehren. Es will nur da sitzen und auf eine Geste der Vorübereilenden warten. Wir können nicht vorübereilen. Unser Baby läuft auf dieser Straße gerne selbst, aber sein Laufen ist, nein, kein Schleichen, es ist schon Laufen, ein langsames Laufen, es ist kein Gehen, eher ein Laufen wie im Traum, wenn man nicht an den Menschen, Dingen und Häusern vorübergeht, sondern durch sie hindurch gleitet oder wenn die Menschen, Dinge, Häuser an einem vorbeiströmen, einen warm umspülen, sich aber nicht greifen lassen, dann aber, bleibt man vor einem Menschen, Ding, Haus stehen überdeutlich sichtbar werden. Unsere Augustenstraße (benannt nach einer, wie es heißt, wunderschönen Prinzessin) ist so: dort, wo wir sie entlanglaufen, sind die Häuser einfach und die Farben ihrer Fassaden hinter einem Grauschleier (der ganz gewiß kein Schleier ist) verborgen. Die Straße ist eng und laut und voller Betrieb. Eine ausnehmend lebendige Straße, nichts in dieser Straße scheint nicht zu leben; der Dreck auf den schmalen Grünstreifen, der die Straße von Geh- und Fahrradweg trennt, ist lebendig, der schmale, verbeulte Himmel über der Straße ist lebendig, jeder abgegriffene Türgriff zu den unzähligen Läden ist lebendig. Manchmal denken wir, in dieser Straße gibt es nur Leben, nichts als Leben; sind wir hier unterwegs, denken wir, was sollte es außer dem Leben schon noch geben? Die Bettler gehören zu dieser Straße, zu unserer Straße, gehören zu uns, das Unglück gehört zu uns. Das Unglück ist seßhaft. Immer sind es die gleichen Bettler vor den gleichen Läden, seitlich der Türen sitzen sie, manche knien, ein einziger (der mit dem Stock) steht (ein eigenartiges, in den Raum ragendes Stehen ist es). Jeder Bettler hat einen Becher dabei. Die meisten einen weißen Plastikbecher, andere einen Coffee-to-go-Becher, nur der stehende Bettler hat einen Metalldeckel umgedreht als Schale auf der geöffneten Hand liegen. Kein Bettler streckt die nackte Hand nach den Vorübergehenden aus. Die Becher stehen auf dem Boden, immer befinden sich nur ein paar Münzen in ihnen, meist sind es nur Centmünzen. Manchmal bleibt unser Baby stehen bei den Bettlern (so wie es überall verharren kann), wirft eine Münze, die wir ihm gegeben haben, in den Becher, aber auch wenn es keine Münze hineinwirft, lächelt der Bettler es an, wie er die erwachsenen Menschen nie anlächelt. Da unser Baby keinerlei Argwohn gegen die Bettler hegt (wie es überhaupt noch keinen Argwohn gegen irgendwen hegt), wollen wir uns auch darin üben (obwohl es sehr leicht ist, einen Bettler zu verdächtigen, niemand lässt sich leichter verdächtigen als ein Bettler, einem Bettler könne wir Unlauteres und Unehrenhaftes unterstellen, das stellt sich wie von selbst ein). Wer Gewalt und Unrecht tut, muss zuletzt ein Bettler werden, heißt es bei Jesus Sirach, ein Spruch, der die Jahrhunderte überdauerte, wie der Bettler die Jahrhunderte überdauerte (so verhält es sich mit dem Märchen und dem Bettler: beide sind niemals vergangen; der Bettler ist alt, gegenwärtig, ewig wie das Märchen. Eine Zeitlang, eine Woche, ein Jahrzehnt scheint der Bettler verschwunden, vergessen, dann taucht er wieder hinter der nächsten Straßenecke auf). Hat unser Bettler, der in unserer Unglücksstraße sitzt etwa Gewalt und Unrecht getan? (Fragen wollen wir ihn nicht, und könnten es auch nicht, seine Sprache ist uns unverständlich wie unsere ihm unverständlich zu sein scheint.) Büßt unser Bettler? (Kurz denken wir, am Ende wartet auf jeden von uns die Bettelei; sie ist der letzte Zustand, den eine einzelne Seele erreicht, bevor sie ganz in ihrer Unsterblichkeit verschwindet. – Vielleicht empfinden wir deshalb, wie alle an den Bettlern Vorübergehenden, Scheu vor ihnen.) Nein, unser Bettler büßt nicht. Er bettelt. Warum bettelt er? Weil er bettelt! (Vor wenigen Tagen ist unser Baby mit seiner Laterne mit den anderen Kindern von der Kirche – an der die Augustenstraße ihr Ende findet – losmarschiert. Lichtergewackel und große Erregung. Es gab ein Pferd zu sehen – unser Baby behauptete am nächsten Tag, das Pferd sei aus der Kirche gekommen – und auf dem Rücken des Pferdes saß der heilige Martin. Das Pferd war ein hochgewachsener Schimmel, der Mann in der Rüstung war schlank und ebenfalls hochgewachsen. Wie bei El Greco sah das aus, auf dem berühmten Bild, bei dessen Betrachtung ich im ersten Augenblick immer denke, das kann doch nur ein Dilettant sich ausgedacht, gemalt haben, um gleich danach zu denken, dieses Bild stammt von einem großen Meister, einem Genie. Leuchtend grün ist der Mantel, der Umhang, den der Ritter mit dem Bettler teilt, diesem schönen nackten Mann mit der Verletzung am Schienbein, nachlässig mit weißem Tuch verbunden. Schön ist auch der Ritter, die Teilung, das Pferd – ein ruhiges Bild, so ohne Eile wie nur die Malerei es darstellen kann, wie überhaupt diese Malerei der Eile jeden Raum verwehrt. Die Betrachtung der Bilder kommt uns jetzt lebensnotwendig vor, und mit diesem Eindruck sahen wir an jenem Sankt Martinstag auf unser groß gewordenes Baby, dessen Augen sich in ihrem Schauen nicht mehr bewegten, in der Zeitlosigkeit gebannt von dem Pferd und dem Reiter und dem Bettler und den Laternen und dem Feuer. Unser Baby, dieses Märchen.)

The misfortune of others is not a fairytale.  And yet it has similar traits. For one, because we cannot see it. Cannot see it even when we see it. And because we don’t know if we are justified in giving it this name: misfortune. We think: that is bad luck. It is just as reckless, presumptuous, premature when, sometimes, we decide: that is good luck. We seek misfortune outside ourselves. We do in fact seek it, an easy search that hits pay dirt quickly. There is so much misfortune everywhere. Good fortune is rarer. If it can be found in ourselves, it happens suddenly. Just as suddenly as it disappears. Misfortune is steadier. It sits on the street with tremendous persistence. The street we walk on several times every week. Our most important shopping street. Our street of misfortune. There and there, misfortune sits and cannot defend itself. Does not want to defend itself. It wants only to sit there, waiting for a gesture from the people hurrying past. Our baby himself likes to run on this street, but his running is — no, not a slinking or moseying along, it’s a run, but a slow run, not a walk, more like running in a dream when you’re not passing people, things, and houses but gliding through them, or when people, things, and houses flow past you and swirl around you like a warm current, ungraspable, but then, the moment you stop in front of a person, thing, or house, it becomes preternaturally visible. Our street, Augustenstrasse (named after a princess who is said to have been marvelously beautiful) is like that: In those parts of it where we walk, the houses are simple and the colors of their facades are concealed behind a veil (which is definitely not a veil) of gray. The street is narrow and loud and bustling. An exceptionally lively street, there is nothing here that does not seem alive; the dirt on the narrow grass verge that separates the street from the pedestrian and bicycle path is alive, the narrow, dented sky above the street is alive, every worn door handle leading into the countless stores is alive. Sometimes we think that in this street there is only life, nothing but life; going about our business here, we think, what else could there be here but life? The beggars are part of this street, our street, part of us, misfortune is part of us. Misfortune resides here. It is always the same beggars in front of the same stores, they sit by the side of the doors, sometimes they are kneeling, only one of them (the one with the stick) stands (a strange looming presence, the way he stands there). Each beggar has a cup. Most of them have a white plastic cup, others a “Coffee-to-go” cup. Only the standing beggar holds an upside-down metal lid on his palm. Not one beggar stretches out his naked hand to the passersby. Their cups stand on the ground, there are always just a few coins in them, usually only one cent coins. Sometimes our baby halts in front of the beggars (just as he might stop anywhere else), drops a coin we have given him into the cup, but even when he doesn’t drop a coin in it, the beggar will smile at him in a way that he never smiles at adults. Since our baby bears no mistrust toward the beggars (just as he does not yet bear any mistrust toward anyone), we want to practice this ourselves (even though it is very easy be suspicious of a beggar, no one is more suspect than a beggar, dishonest and dishonorable motives can be imputed to a beggar as a matter of course). He who commits violence and injustice, will in the end become a beggar, it says in Jesus son of Sirach, a saying that has lasted through the centuries, as the beggar has lasted through the centuries (that is how it is with fairytales and beggars: both have persisted through time; the beggar is ancient and present, eternal like the fairytale. For a while, a week, a decade, the beggar may appear to have vanished, seems all but forgotten, until he shows up again at the next street corner). Has our beggar, the one sitting in our street of misfortune, committed violence and injustice? (We don’t want to ask him, and wouldn’t be able to in any case, his language is incomprehensible to us, just as ours seems to be incomprehensible to him.) Is our beggar atoning for something? (Briefly we think, beggary awaits every one of us in the end; it is the last state an individual soul attains before utterly vanishing in its immortality. – Perhaps that is why, like all the people who are hurrying past the beggars, we feel shy in their presence.) No, our beggar is not penitent. He is begging. Why is he begging? Because he is begging! (A few days ago our baby marched off from the church – where the Augustenstrasse comes to an end — with a lantern, together with the other children. Waggling lights and great excitement. There was a horse to be seen – our baby claimed the next day that the horse had come out of the church – and on the back of the horse sat Saint Martin. The horse was tall and white, the man in armor was slender and tall as well. The sight resembled that famous painting by El Greco which always, at first glance, makes me think that only a dilettante could have conceived and painted it, only to realize a moment later that this is the work of a great master, a genius. The color of the cloak, the garment the knight is cutting with his sword to give half to the beggar, is a luminous green. The beggar is a beautiful naked man with an injured shin, haphazardly bandaged with a white cloth. The knight, too, is beautiful. The horse, the severing of the cloth, all of it is beautiful – a serene image, devoid of haste, a calm such as only a painting could depict, as indeed this picture bars entry to even a hint of haste. The contemplation of paintings now strikes us as a vital necessity, and it was under the impress of this conviction that, on Saint Martin’s day, we looked at our baby, who had grown so tall, and whose eyes no longer moved in their gaze, spellbound in timelessness by the horse and the rider and the beggar and the lanterns and the fire. Our baby, this fairytale.)

DAS ZWEITE JAHR – 36

Das erste Jahr Babybuddha jetzt auf:

http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/babybuddha/978-3-446-25239-4/

oder über den Online-Buchhandel

36

Du kleines veränderungswütiges Baby. Du kleiner Süchtling nach dem Anderen. Du Suchwilder und Suchwilderer (deiner Suche entgeht nichts, kein Artenschutzabkommen kann dich aufhalten, deine Moral ist äußerst flexibel, dehnbar, aufdenkopfstellbar, falls du überhaupt eine hast: der Bagger des Anderen ist dein Bagger!), du Möglichkeitsnarr, der du keine Scheu hast, der Realität, dem Möglichen, dem Machbaren die Stirn zu bieten, alles ist möglich, lautet dein Mantra, das erste und einzige Gebot deiner Religion, der Kern deiner unausgedehnten Philosophie. Nichts muss so bleiben wie es ist! Auf den Flügeln welches gewaltigen, doch leisen Optimismus bist du hierher gesegelt (zu uns, zu dir, zu mir), dass dich nichts davon abhalten kann, was du eben gelernt hast, im nächsten Augenblick wieder zu verlernen, so als würdest du das Lernen nicht ernst nehmen (nicht so ernst nehmen wie wir). Man sagt dir von allen Seiten Kontinuität nach, man behauptet Prozesse in deinem Handeln und Tun zu erkennen (und natürlich in deinem Gehirn; das Gehirn: der Hauptgötze moderner Wissenschaft, das Gehirn ist en vogue, ein unhübsches, groß in Mode gekommenes Organ, das für jede Erkenntnis herhalten muss, entschuldigender Zeuge, dass wir in all unserem Fühlen und Denken nicht ganz bei Trost und bei Sinnen sind), jede Mutter, jeder Vater sind überzeugt von deiner Entwicklung, die du stetig vorantreibst und die dich stetig vorantreibt, damit du irgendwann zu voller Entfaltung, Reife, Blüte gelangst. Aber dich schert das nicht. Unentwickelt oder entwickelt, du blühst schon, immer schon, bist ganz Blüte, schwer erkennbare Blüte, denn du blühst nie gleich (wie die dummen Blumen), du wechselt täglich deine Gestalt, vielleicht stündlich (wir sind nur zu langsam, es zu bemerken), manchmal bist du kaum wiederzuerkennen, unser eigenes Kind kommt uns dann vor wie ein fremdes Kind (warum magst du seit heute keine Bananen mehr?), das wir dann doch wieder als unser Kind erkennen, aber ein Zweifel bleibt (nicht an dir, nicht daran, dass du unser Kind bist, vielmehr an deiner schillernden Identität – mit der du offenbar zu spielen in der Lage bist, wie es nur ganz große Künstler können), ein Zweifel bleibt, der sich langsam umwendet, sich uns selbst zuwendet. Wie sollen wir dich erziehen, Nochbaby? (Sollen wir dich überhaupt erziehen?) Du flutscht uns aus den Händen, du bist wie eines der Vögelchen, das du auf alten Gemälden der heiligen Familie in der Hand hältst und das du jeden Moment freigeben könntest (so, als könntest du dich von dir selbst befreien, als wäre das kein großes Tun, nichts), du bist unfassbar, obwohl du dich so gerne und ausführlich auf unseren Schoß begibst, dir die Hand auflegen lässt und darin deinen täglichen Frieden findest. Du veränderst dich: das ist nichts, was du auch unternehmen würdest, sondern es ist etwas Prinzipielles, das du nicht stoppen kannst, wie du dein Wachstum nicht stoppen kannst, du Unstoppbarer, du in deinem ewigen Wachsen ewig Unbegreiflicher, du sorgenloser Weltknabe, der du Orte entdeckst, wo wir bisher dachten, dort sei nichts! (Du allein erkennst die Welt, denken wir manchmal, weil du sie nicht unterscheidest. Wir wissen nicht, was die Fuge im Mauerwerk einer Hauswand zu bedeuten hat. Du studierst sie, kehrst vielleicht morgen zurück zu ihr, vielleicht nie wieder.) Wie also erziehen wir dich, den sich wundersam Wandelnden? Fragen wir einen (der wenigen) heiligen Philosophen, Henri-Frédéric Amiel. In seinen Tagebüchern lesen wir: Das Kind sieht, was wir sind, durch das hindurch, was wir sein möchten, von daher kommt sein Ruhm als Physiognomiker. Es geht mit jedem von uns, so weit es kann; es ist ein schlauer Diplomat. Ohne es zu wissen, unterwirft es sich jedem Einfluß und spiegelt und verwandelt ihn gemäß seiner eigenen Natur: es ist ein Vergrößerungsspiegel. Darum ist es das erste Prinzip der Erziehung: Erziehe dich selbst! Oh ja, rufen wir emphatisch zu unserem Baby gewandt, du kluger Physiognomiker, du siehst durch unsere Gesichter hindurch (welch Freude bereitest du uns dadurch, dass wir durchsichtig sind für dich!), weil die kleinste Veränderung unseres Mundwinkels, jeder verzögerte Wimpernschlag, wie das magerste Beben unserer Wangen dir Offenbarung unserer Gedanken sind. Du hast uns unsere Frage nach deiner Erziehung angesehen und uns prompt zu uns selbst zurückgeleitet. Auch wir müssen Suchwilde und Suchwilderer werden, Möglichkeitsnarren und Süchtlinge nach dem Anderen. Sind wir es nicht längst? Sind wir es etwa schon? (Aber jetzt auf einmal gibt unser Baby den pathetischen Bewahrer, den eisernen Änderungsverweigerer, den wütenden Pedanten. So muss das kleine Seidenkissen in der Sofaecke liegen, nur so, nein, auch nicht so, genau so, ganz genau so und nicht anders! Du kleines veränderunghassendes Baby, du Süchtling nach dem Gleichen, du Wiederholungsdiktator … )

You change-obsessed little baby. You difference-addict. Wild little seeker and poacher in the wild (nothing escapes your search, no program for the protection of endangered species can stop you, your morality is exceedingly flexible, elastic, upendable, if you have one at all: the other child’s toy truck is yours!), you fool for possibility, who are not afraid to defy all that declares itself real, possible, doable. Everything is possible: that is your mantra, that is the first and only commandment in your religion, the core of your unelaborated philosophy. Nothing must remain as it is! On the wings of what mighty yet quiet optimism did you sail into this realm (ours, yours, mine), that nothing can prevent you from unlearning everything you learned a moment ago at the very next moment, as if you did not take learning seriously (as seriously as we do). People credit you with consistency, claim to recognize processes in your actions and behavior (and of course also in your brain; the brain: the supreme idol of modern science, the brain is in vogue, an unattractive organ that has become hugely fashionable in recent years, to which all knowledge and understanding are attributed, an exculpatory witness attesting that in all our feeling and thinking we are out of our senses and not of sound mind); every mother, every father is convinced of your development, which you are constantly driving onward and which constantly drives you onward, so that at some point you will arrive at a full unfoldment, maturity, flowering. But you don’t give a fig for any of that. Developed or undeveloped, you are already flourishing, already in full bloom, a flowering that is difficult to recognize, for you never flourish in the same way (as the stupid flowers do), changing as you do day by day, perhaps hour by hour (we are just too slow to notice); sometimes you are almost unrecognizable, so that our own child suddenly no longer seems like our own (why are you suddenly refusing bananas today?), until we again recognize him as our child, but a doubt remains (not of you, not of the fact that you are our child, but rather of your iridescent identity – which you are evidently able to play with, a gift only very great artists can deploy), a doubt remains, which slowly turns around, turns to face us. How should we raise you, you not-yet-fledged, you still a baby? (Should we raise you at all?) You slip through our fingers, you are like one of those little birds you hold in your hands in the old paintings of the holy family and which you could let loose at any moment (as if you could free yourself of yourself, as if there were nothing to it, nothing), you are ungraspable, even though you love to sit on our laps for extended periods of time and let us place a hand on your body and find your daily peace in that. You change: that is not something you would undertake in addition; it is a fundamental thing which you cannot prevent, just as you cannot stop your growth, you unstoppable one, eternally incomprehensible in your growing, you carefree world-child, who discover places where previously we thought there was nothing! (You alone know the world, we sometimes think, because you do not distinguish it. We don’t know what a gap in the brickwork of a wall means. You study it, may return to it the next day, or never again.) How shall we raise you then, you mysteriously changing child? Let us ask a saintly philosopher, one of the few, Henri Frédéric Amiel. In his journals we read: The child sees what we are behind what we wish to be. Hence his reputation as a physiognomist. He extends his power as far as he can with each of us; he is the most subtle of diplomatists. Unconsciously he passes under the influence of each person about him, and reflects it while transforming it after his own nature. He is a magnifying mirror. This is why the first principle of education is, Train yourself! Oh yes, we call out emphatically, addressing our baby, you wise physiognomist, you see through our faces (and what joy you give us by rendering our faces transparent for you!), because the smallest shift in the corner of our mouth, the slightest lag in the batting of an eyelid, the meagerest quiver of our cheeks reveals our thoughts to you. You spotted in us the question concerning your education and promptly directed us back to ourselves. We too must become wild seekers and poachers in the wild, fools for possibility, difference-addicts. Haven’t we been that all along? Could it be that we already are that? (But now suddenly our baby puts on the pathos of preservation and plays the iron opponent of change, the furious pedant. The little silk pillow should lie in the corner of the couch, like this, no, not like that, only like this, exactly like this and no other way! You little change-hating baby, you sameness-addict, you dictator of repetition . . .)

DAS ZWEITE JAHR – 35

Das erste Jahr Babybuddha jetzt auf:

http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/babybuddha/978-3-446-25239-4/

oder über den Online-Buchhandel

35

Unser Baby, unser Zeitmeister. Mit dem Baby lernen wir die Zeit kennen, ganz anders kennen, so, als würden wir sie überhaupt nicht kennen, als wären wir ihr noch nie begegnet. Die Babyzeit ist eine ganz andere Zeit (und wir merken auch hier wieder, dass wir uns beeilen müssen, denn die Babyzeit verrinnt schnell, schneller als jede Zeit verrinnen könnte; schon jetzt wechselt sie manchmal in die altbekannte Zeit, als könnte sie auf Dauer gegen diese nicht bestehen; schon jetzt verwechseln wir die eine und die andere; – andererseits, wenn es eine Zeit gibt, die nicht vergeht, welche Zeit sonst könnte es sein als die Babyzeit?), die Babyzeit ist die ganz andere Zeit, sie unterscheidet sich nicht nur ein bißchen von der vertrauten Zeit, der skalierten Zeit, der wir so gehorsam folgen, nein, die Babyzeit ist dieser Zeit nicht im Geringsten ähnlich, die Babyzeit ist eine unvergleichliche Zeit, eine vollendete Zeit, eine vollkommene Zeit (während die normale Zeit immer vergleichbare Zeit ist, unvollendete Zeit, unvollkommene Zeit). Im Paulusbrief an die Galater heißt es: Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die erlöse, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Kindschaft erlangen. (Wir sind so frei, auch die Bibel als unser Erbe in unserem Sinn zu verwenden, behandeln, verwandeln. Und wir sind so frei, uns in unserer Auslegung durchaus gottähnlich zu machen, es ist uns ein Vergnügen. Damit befreien wir uns von unserer größten menschlichen Hemmung, der Hemmung vor Gott. – Wow, antwortest du, es ist eigenartig, wie sehr Gott immer noch gefürchtet wird, von allen, auch den religösen, am meisten Furcht haben die, die sich von ihm abgewendet haben. – Wow, antworte ich. – Wau, wau, wau, macht unser Kind.) Also: die erfüllte Zeit, als die Zeit in Erfüllung ging (sehnten wir uns nicht immer nach der Erfüllung der Zeit, und auch heute noch?), kam das Kind auf die Welt, das Baby, unser Junge. Uns scheint, er brachte die erfüllte Zeit mit, noch einmal mit, uns scheint, er brachte damit die verlorengegangene Zeit mit, es scheint, mit unserem Baby ist das Eschaton über uns hereingebrochen, für uns angebrochen, wow! (Unser Kind ruft wau, wau und schleudert den weißen Plüschhund an seinem Stummelschwanz quer durchs Zimmer. Der Hund prallt ans Tischbein, ein Klacken ist zu hören, das heißt, sein Glasauge wurde getroffen. Unser Baby krabbelt hinüber und sieht sich seinen Hund genauer an. Das Auge ist gebrochen. Ein Teil sitzt noch fest in der flachen Augenhöhle des Hundes, der andere Teil liegt unter dem Tisch. Unser Kind blickt lange auf den Hund, zeigt nickend auf das halbe Auge, ruft einmal putt etta, aber so, dass es wie eine Frage klingt.) Dann kommt uns vor, beide Zeiten, die alte und die neue (die ungestillte und die gestillte) sind zugleich anwesend, sind sich plötzlich zum Verwechseln ähnlich, als gäbe es nur eine Zeit, die eine Zeit, aus der es kein Entkommen gibt und in der es kein Ankommen gibt, diese eine Zeit, der man zugleich (in der gleichen Zeit) leicht entkommt und in der anzukommen zugleich (in der gleichen Zeit) ein Kinderspiel ist. Jetzt sehen wir klar (unser Baby untersucht mit etwas geöffneten Lippen das halbe, abgefallene Auge des Plüschhundes, hält es hoch, bringt es nah zu seinem Mund, legt es dann wieder genau an die Stelle unter dem Tisch, wohin es vorhin gesprungen ist): Erst dann lernen wir die Zeit richtig kennen, wenn wir ihr nachgeben und wir nicht wollen, dass sie uns nachgibt. Wenn wir uns ihr hingeben. Hingabe ist das Zauberwort, das die Zeit zu öffnen versteht. (Geben wir uns unserem Baby hin, geben wir uns der Zeit hin. Kurz glauben wir, unser Baby ist die Zeit, nichts sonst. – In einem rührseligen Heinz Rühmann Film – wahrscheinlich haben wir ihn einst an einem müden regnerischen Sonntagnachmittag im Fernsehen angeschaut – singt der Vater, der nicht der echte Vater ist, dem kleinen Jungen Ulli, dessen Mutter nach Amerika ausgewandert ist, immer wieder zur Schlafenszeit das berühmte La-le-lu-Schlaflied vor. Wenn der Vater mit dem Sohne, heißt der Film merkwürdigerweise, und doch sind die beiden, der Heinz-Rühmann-Vater und sein Leihsohn, Pflegesohn, Sohntraum inniger, einiger, vertrauter als wirklicher Vater und wirklicher Sohn es sein könnten. Sie sind geradezu eins. Und in der Musik des La-le-lu ist auch die Zeit der beiden eins, eine Zeit, eine ideale Zeit. Vaterzeit ist Sohnzeit und Sohnzeit Vaterzeit. Doch am Ende wird der Sohn den Vater verlassen, wie ihn sein echter, verstorbener Sohn verließ, aber der Zuschauer fühlt dabei mehr mit dem Vater als mit dem Sohn, als wäre der Vater der verlassene Sohn; merkwürdig ist diese Verkehrung und schwer vorstellbar, das den Autoren des Film bewußt war, was sie schrieben. Die Rührung, die die Geschichte des Films auslöst, verdankt sich ihrer bewußtlosen Erfindung. Als Ulli das erste Mal bei seiner neuen-alten Mama übernachtet, singt er seinem Hund La-le-lu vor und gleich schläft der Hund ein, gleich darauf er selbst.)

Our baby, our master of time. With the baby we are getting to know time in an utterly different way, so different it almost seems as if we did not know time at all, as if we had never made its acquaintance. Baby time is a completely different kind of time (and here again we notice that we must hurry, for baby time runs out quickly, more quickly that any sort of time could run out; already now it is sometimes turning into the old familiar time, as if it were not capable of withstanding it in the long run; already we are confusing the one with the other; – on the other hand, if there is a time that does not pass, what time could it be if not baby time?), the baby time is the completely different time, it does not just slightly differ from the familiar time, the scaled time we follow so obediently, no, baby time does not resemble this time in the least, baby time is an incomparable time, a perfect time, a complete time (while normal time is always comparable time, imperfect time, incomplete time). In Paul’s letter to the Galatians it says: But when the time was full come, God sent his son born of a woman and made bond unto the law, to redeem them which were under the law: that we through election might receive the inheritance that belongs unto the natural sons. (We are free to employ the Bible as our inheritance and transform it in our own sense. And we are free to make ourselves godlike in our interpretation, it pleases us to do so. In this way we liberate ourselves from our greatest human inhibition, the inhibition before God. – Wow, you reply, it’s strange, the degree to which how God is still feared, by everyone, even by the religious people, and the ones most frightened are the ones who turned away from him. – Wow, I reply. – Bow wow, says our child.) So: in the fullness of time, when the promise of time was fulfilled (did we not always long for the fulfillment of time, and don’t we still?), the child came into the world, the baby, our boy. It seems to us that he brought the fulfilled time with him, brought it with him once more, it seems to us that in doing so he brought with him the time that was lost; with our baby the eschaton, the end time, has descended upon us, has begun, wow! (our child cries: Bow Wow. And hurls his white stuffed dog by its stubby tail straight across the room. The dog bangs into the table leg, there is a clacking noise, which means that its glass eye was struck. Our baby crawls over to it and looks at his dog more closely. The eye is broken. One part is still firmly attached to the dog’s flat eye socket, the other part is under the table. Our child looks at the dog for a long time, points at its half eye, nodding, calls out “bokin” once, but in such a way that it sounds like a question.) Then it seems to us that both times, the old one and the new (the unappeased and the appeased) one are present simultaneously, are suddenly almost indistinguishable, as if there were only one time, the single time from which there is no escape and into which there is no arrival, this one time from which one easily escapes (at the same time) and into which it is childishly easy to arrive. Now we see clearly (our baby, his lips slightly parted, is exploring the half of the dog’s eye that fell off, holds it up, brings it close to his mouth, puts it back precisely where it fell underneath the table): We never really get to know time until we give in to it and stop wanting it to give in to us. When we give ourselves over to it. Hingabe – the German word for self-abandon – is a magical word that knows how to open up time. (If we abandon ourselves to our baby, we abandon ourselves to time. In short, we believe that our baby is time, and nothing other than that. – In a maudlin film with Heinz Rühmann – we probably saw it on some tired rainy Sunday morning on TV – the father who is not the real father sings the famous La-le-lu lullaby every evening to the little boy Ulli, whose mother has emigrated to America. When the father with his son is the name of the film for some reason, and yet these two, the Heinz-Rühmann-father and his borrowed son, foster son, son dream, are closer, more intimate, in greater rapport than any real father and real son could be. They are practically one. And in the music of the La-le-lu their common time is one, one time, an ideal time. Father-time is son-time and son-time is father-time. But in the end the son will leave the father, just as his real, deceased son left him, but the viewer’s feelings are more with the father than with the son, as if the father were the son being left behind; this reversal is strange and it is hard to imagine that the authors of the film were aware of what they were writing. The emotion produced by the plot of this film is due to the unconscious source of its invention. When Ulli spends his first night with his new-old Mama, he sings to his dog La-le-lu, and instantly the dog falls asleep, and right after that the boy.)