Das zweite Jahr

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Das erste Jahr Babybuddha jetzt auf:

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Der Sandkasten auf dem Spielplatz ist wie ein großes Becken, das über seine Ufer getreten ist. Der niedrige Rand ist als solcher gar nicht mehr erkennbar. Mütter, Großmütter, ein paar Väter, Großväter hocken und stehen auf der vom Sand überspülten Betoneinfassung, zu ihren Füßen ein Wuseln und Wimmeln von Kleinen und Kleinsten, die ständig die Grenzen des sandigen Gevierts übertreten und überkrabbeln, dahin und dorthin. Alles ist sandig! An diesem schönen, sonnigen Nachmittag, unter dem durchscheinenden Grün des jungen Laubs, in der Wärme eines wolkenlosen Frühlingstages Ende April sind Grenzen so altmodisch wie das Reisen mit Kutschen oder Wasserschöpfen aus Brunnen. Nicht der Wind hat den Sand überall hingeweht (es geht keiner, kaum ein Lüftchen regt sich), sondern das eifrige Schaufeln der kleinen Kinder, die den Sand in allerlei Eimerchen und Förmchen (Früchte, Tiere, Muscheln, Eistüten) füllen und herumtragen und auf den Parkbänken oder in den Hochbeeten entleeren oder auf den Steinfiguren (eine riesige Schildkröte, ein Frosch) oder auf der Rutsche und auf den Schaukeln. Oder der Sand frisst sich in die Profile der Sohlen der älteren Kinder, um gleich wieder herauszuspritzen und sich überallhin zu verteilen, wenn sie schnell wie geschäftige Vögel über den Platz kreuzen, angefeuert von ihren eigenen wilden und lustvollen Schreien. Manches Baby windet sich wie ein Wurm, der eben aus Versehen aus der Erde gekrochen ist, schwer wiegt sein Kopf, der nach unten fallen und seinen Körper mit hinab ziehen will, während ein sandverschmierter Mund unverständliche Laute ausstößt. Doch, sie sind verständlich, keine und keiner blickt ihretwegen irritiert, man ist sich nämlich einig, dass man an solch einem Tag nicht unbedingt nach der Bedeutung des Gesagten oder Fast- oder Nochgarnichtgesagten forschen muss. Friedlich geht es zu, aber es ist kein trügerischer Friede, der irgendetwas verbirgt (mit Sand bedeckt), sondern ein natürlicher Friede, der sich einstellt, wenn alle damit zufrieden sind, dasselbe wie alle anderen zu tun, im selben Boot oder Sandhaufen zu sitzen. So sind alle Unterschiede aufgehoben, weil sie gleichsam gemeinsam sind, Unterschiede sind auf alle gerecht verteilter Besitz, wie das bunte Plastikspielzeug (Schaufeln, Rechen, Eimer, Förmchen, Bälle und Bagger) niemandem und jedem gehört. Die unterschiedlichen Erziehungsmodelle sind nachrangig, wenn die allgemeine Stimmung nach Ausgeglichenheit klingt. Ein Kind wird angehalten, sich bei einem anderen zu entschuldigen, weil es ihm die Schaufel entrissen hat, ein wieder anderes Kind sieht sich der Drohung ausgesetzt, jetzt gleich nach Hause zu müssen, wenn es weiterhin die vorbereiteten Obststücke zu Boden wirft, wieder andere dürfen tun, was sie tun wollen, sogar Omas Schuh mit Sand auffüllen. Die Vorstellungen des Erziehens gehören denen, die mit ihnen erziehen wollen, im Grunde nicht. Jede und jeder schnuppert einmal an diesem oder jenem Erziehungsgedanken, der auftaucht wie ein von der Luft getragenes einzelnes Sandkorn, dessen weitere Reise zu verfolgen für jeden menschlichen Sinn eine Unmöglichkeit ist. Heute geht es zu wie bei Gotthold Ephraim Lessing, nur weniger ernsthaft: Erziehung gibt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich selbst haben könnte: sie gibt ihm das, was er aus sich selber haben könnte, nur geschwinder und leichter. Fazit: man kann sich die Erziehung schenken, nicht, weil man sie etwa mißachtet oder geringschätzt, sondern weil unter der Sonne jedes Ideal dahinschmilzt. Vielleicht ist sie ja bloß ein Märchen, mehr noch ein Mythos, an dem alle irgendwie teilhaben und teilhaben wollen, das Märchen des Menschengeschlechts, das so gerne sein Geschick durch eigen Taten lenken möchte. In diesem grenzenlose Sandkasten steigt heute, an diesem gütigen Frühlingstag, der vereinfacht und vereinnahmt, ein Wohlgefühl auf, das nicht einmal staunend empfunden wird, so selbstverständlich kommt es daher und an dem nicht teilzuhaben, keinem Mutwillen gelingen könnte. Eins zu sein ist altmodisch und doch hochmodern. Wie die Freude am Wasser, das seit einigen Tagen angeschaltet ist, am südlichen Ende des Spielplatzes, Freude, die eine Art Brunnen (moderne Bauart, kindergerecht, hineinfallen ausgeschlossen) spendet, an dem die Kinder auf drängelnde und vordrängelnde Kinderart Schlange stehen, so dass jeder mal ein paar Tropfen (oder mehr) abbekommt. Unser Baby kniet in Matschhose an einem der kleinen Stahlbecken, durch die das Wasser in Stufen nach unten abläuft. Durch eine ovale Öffnung tropft oder spritzt es heraus, je nachdem, wieviel Wasser die Kinder oben an der Pumpe angestaut haben und je nachdem wann und wieweit sie die Klappe öffnen, um es abfließen zu lassen. Es hat eine rote Schaufel in der Hand (seine eigene gelbe liegt irgendwo) und klopft damit auf den runden Stahlrand oder es versucht Wasser mit der Schaufel aufzufangen und zu trinken (was ihm nicht gelingt). Ist das überhaupt unser Kind? Unsere Schaufel ist es nicht, aber unser Kind müsste es sein: einen Augenblick lang (oder länger) verschwimmen die Besitzverhältnisse. Unser aller Kinder, spüren wir dann, wie wir die Eltern all dieser Kinder sind. Ein ungehobelter Gedanke, zu dem gut das schabende Geräusch passt, das als eine Art Hintergrundmusik erklingt (durchaus rhythmisch), wenn eine Sohle oder Hand über die dünn mit Sand bedeckten Steinplatten schleift oder wischt. Wir nehmen ein ausführliches Bad in unseren fantasierten Regungen, die vielleicht gar nicht so sehr fantasiert sind, dass wir sie (nach alter Gewohnheit) in Frage stellen müssten. Wir baden in der Menge, aber es gibt niemandem, dem wir zujubeln oder mit offenem Mund zuhören, in dieser Menge entsteht die Einigkeit nicht durch gemeinsamen Glauben oder einigendes Gefühl, nicht durch Parteinahme oder überzeugte Zustimmung. Unsere Menge ist eine Offenbarung. Erziehung ist Offenbarung, heißt es bei Lessing (vielleicht ist er einer der anwesenden Großväter – oder Großmütter – und hat nichts dagegen, dass wir das, was er vor einem Vierteljahrtausend geschrieben hat, in einer Weise verwenden, die dem Spielen der Kinder im Sandkasten ähnelt: wir sind frei darin, von dem, was vor uns liegt, mit geliehenen Schaufeln aufzunehmen und es einfach nur umzuwenden oder sonstwohin zu tragen; es ist uns eine Lust, mit dem, was da ist, zu spielen unter den gütigen Blicken des Großvaters – oder der Großmutter -, denen es ihrerseits eine Lust ist, unserem Tun zuzusehen, da wir doch alle aus dem gleichen Sand sind) und, heißt es weiter, Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte geschehen ist, und noch geschieht. Das gefällt uns, wir erkennen uns wieder in dem und noch geschieht, sitzen wir doch in Wahrheit (und in der Wirklichkeit) in einem (sandigen) Erziehungsbecken, in dem uns widerfährt, was wir in unseren nicht seltenen ungläubigen Momenten geneigt sind, ebenso reflexhaft wie vehement abzustreiten: wir werden erzogen, sind der Erziehung nie entwachsen und wir haben sie zweifellos nötig. Jetzt, sonnenumschmeichelt und von den winzigen Fächern gerade geschlüpfter Blättchen über unseren Häuptern andeutungsweise und gleichsam impressionistisch beschattet, aber fällt uns die Entgegennahme dieser großelterlichen Lessingschen Offenbarung leicht. In der Hand unseres Babys (wir dürfen nie vergessen: unser eigentlicher Erzieher sitzt dort, alles andere, zu dem wir gedanklich hinschwelgen, verdanken wir über manchen Umweg allein ihm) befindet sich jetzt eine grüne Schaufel (auch nicht seine), die es ruhig, fast erstarrt hochhält wie einen Zeigefinger oder eine kleine Tafel, auf der irgendetwas in unlesbarer Sandkornschrift geschrieben stehen mag. Roland Barthes irrt übrigens, wenn er über Spielsachen schreibt. Die üblichen Spielsachen sind aus einer kargen Materie, Produkte einer Chemie, nicht einer Natur. Viele sind heute aus komplizierten Pasten geformt; Kunststoff sieht ebenso plump wie hygienisch aus, mit ihm erlischt das Angenehme, Sanfte, Menschliche der Berührung … sein Material führt in eine Zönästhesie des Gebrauchs, nicht der Lust. Wenn der Holzromantiker spricht, soll man ihn aber nicht schelten. Es gibt unterschiedliche Großväter, wie es unterschiedliche Kinder gibt. Auch dieser meint es gut. Aber mit der Plastikschaufel und all den anderen Dingen aus Plastik verschwindet das Menschliche aus dem Leben ganz gewiss nicht. In unserem Fall macht das Plastik die Gemeinschaft (der Menschen) sogar leichter, weil es so wertlos ist. Wer eine Schaufel verliert, wird am nächsten Tag eine andere finden. Und am nächsten Tag erneut eine liegen lassen. Erfreut wird unser Baby (oder ein anderes) sie halb vom Sand verborgen entdecken und eine Zeitlang damit schaufeln. Unser Baby (oder ein anderes) weiß nämlich den Wert des Wert des Wertlosen zu schätzen. Unser Baby! Jetzt hält es also schon eine Schaufel in der Hand, nach was wird es in einem Jahr greifen? Erinnerst du dich noch an das neugeborene Baby? An all die neugeborenen Babys ohne irgendetwas in der Hand. Mit leeren Händen sind sie alle auf die Welt gekommen – delikat wie unbelichteter Film, in Tücher eingepackt anstatt in Metallfolie, aber gewickelt mit derselben wunderbar übertriebenen, na, sagen wir, Empfindlichkeit. Dieser torkelige heiße Kopf. Diese marineblauen Augen mit den auf f/2 eingestellten Pupillen. Die an Seidenfäden aufgehängten Handgelenke, die Fußsohlen zart wie Augenlider – glücklicher Dichtergroßvater (fast noch Vater) John Updike, hast recht mit deiner Schwärmerei, Babys aus den Augen eines fiktiven Fotografen betrachtet im seligen Jahr 1969 (liegt, lag dieses Jahr nicht in der Nähe unseres eigenen Geburtsjahres?). Ein Bild, ein schönes Bild wäre das, wir und all die anderen in diesem großen grenzenlosen Sandkasten, wie wir mit den anderen sprechen oder einfach nur da sitzen, die Kinder zu unseren Füßen, auf unseren Knien, warm ist es, von allen Seiten zugleich müsste man das Bild aufnehmen (digital, digital, ist im digitalen Zeitalter nicht alles möglich?)! Und während wir uns wohlig zurücklehnen, im Augenwinkel unser Baby im Blick, hören wir ihn rieseln, den ewigen Sand.

The sandbox in the playground is like a big pool that has spilled over its borders. The low rim is no longer recognizable as such. Mothers, grandmothers, a few fathers, grandfathers, sit and stand on the concrete casing that is awash with sand, at their feet a scurrying and swarming of children’s bodies, from the small to the smallest, who are constantly overstepping and crawling across the bounds of the sandy square, this way and that. Everything is sandy! On this beautiful, sunny afternoon, under the translucent green of the young foliage, in the warmth of a cloudless spring day at the end of April, borders are as out of date as traveling in a coach or drawing water from a well. It is not the wind that has blown the sand everywhere (there is no wind, not even the slightest stirring of a breeze), but the shoveling of little children who are filling all sorts of little pails and sand molds (of fruit, animals, shells, ice cream cones) with sand and carrying them around and emptying them on the park benches or in the raised garden beds or on the stone figures (a huge turtle, a frog) or on the slide or on the swings. Or the sand eats its way into the profiles of the soles of the older children, only in order immediately to spray out again and spread in all directions as they hurry across the playground like busy birds, inspired by their own wild and jubilant cries. Many a baby squirms like a worm that inadvertently crawled out of the earth, its head dangling ponderously, as if about to drop and drag its body down with it, while a sand-smeared mouth emits incomprehensible sounds. But no, they are perfectly comprehensible, no one appears to be perplexed by these sounds, for everyone is in agreement that on such a day one need not search for the meaning of what was said or almost said or not yet said at all. Everything is peaceful, but it is not a treacherous peace in which something is hidden (covered with sand), but a natural peace that comes about when everyone is content with doing the same thing everyone else is doing, sitting in the same boat or on the same heap of sand. Thus all distinctions are abolished, because they are held in common, as it were, differences are property that is equally distributed among all, just as the colorful plastic toys (shovels, rakes, pails, sand molds, balls, and baggers) belong to no one and everyone. The various educational models are of secondary importance when the sound of the general mood is one of balance and equilibrium. A child is told to apologize to another child for taking her shovel away, another child is faced with the threat of having to go home if he keeps throwing the carefully prepared pieces of fruit on the ground, while others may do what they wish, even fill Grandma’s shoe with sand. Ideas of education don’t really belong to those who want to use them for purposes of education. Every father and mother at some point sniffs at this or that educational idea that comes floating their way like a single airborne grain of sand, whose further travels no human mind is capable of following. What’s going on here today is the same thing that’s going on in Gotthold Ephraim Lessing, only less seriously: Education gives to Man nothing which he might not educe out of himself; it gives him that which he might educe out of himself, only quicker and more easily.  Conclusion: one can do without education, not because one disregards or disdains it, but because under the sun, ever ideal melts away. Perhaps it is merely a fairytale, even more so a myth, in which we all somehow participate and want to participate, the fairytale of the human race that would so dearly like to steer its destiny by its own deeds. Today, on this gracious Spring day that simplifies and collects all in its sphere, there arises a bliss that is not even registered with amazement because it comes along so matter-of-factly that even with  deliberate effort it would be impossible not to partake in it. To be at one is old-fashioned and yet highly au courant. Like the delight in water, which has been turned on for the past several days, on the southern end of the playground, a delight provided by a kind of fountain (of modern construction, childproof, no danger of falling in), where the children queue up in the shoving, queue-jumping way of children in a queue, so that everyone receives a few drops (or more) when their turn comes. Our baby is kneeling in soaked trousers next to one of the little steel basins through which the water flows down in gradually descending steps. It comes out through an oval aperture in the form of drops or sprays, depending on how much water the children have caused to back up above, where the pump is, and depending on when and how far they open the lid that allows it to run off. He has a red shovel in his hand (his own yellow one is lying somewhere) and uses it to knock against the round steel edge, or he tries (unsuccessfully) to catch water with his shovel and drink it. Is this our child at all? It’s not our shovel, but it should be our child: for a moment (or longer) property relations become indistinct. All these childrenare ours, we feel then, just as we are the parents of all these children. A rough-hewn thought, well suited to the scraping sound that arises as a kind of background music (quite rhythmically) when the sole of a foot or a hand drags or slides across the sand-covered stone plates. We take an extensive bath in our fantasized feelings, which are perhaps not fantasies to the extent that we (out of old habit) would have to put into question. We are bathing in the crowd, but there is no one to whom we would cheer in adulation or listen to with open mouths, in this crowd unity is not produced by a common belief or a unifying emotion, not by partisanship or agreed-upon convictions. Our crowd is a revelation. Education is revelation, says Lessing (maybe he is one of the grandfathers – or grandmothers – who are present here, and has nothing against our using what he wrote a quarter of a millennium ago in a way that resembles the play of children in a sandbox: we are free to pick up what lies before us with borrowed shovels and simply turn it over or carry it off somewhere or other; it is a joy for us to play with what is here, under the kindly eyes of the grandfather – or grandmother – who, for their own part, enjoy watching us, who are, after all, every one of us, made of the same sand) and, Lessing says further, revelation is education which has come, and is yet coming, to the human race. This we like, we recognize ourselves in the is yet coming, for in truth (and in reality) we are sitting in a (sandy) pool of education, experiencing what, in our not infrequent moments of disbelief, we tend to vehemently and reflexively deny: that we are being educated, that we never outgrew our education, and that, beyond any doubt, we need it. But now, blandished by the sun and allusively, quasi-impressonistically, shaded by the miniscule fans of newly fledged leaves above our heads, receiving Lessing’s grandfather-and-motherly revelation is easy. In our baby’s hand (we must never forget: our true educator is sitting there, everything else our thoughts enjoy reveling in is a gift we have received, by many a detour, from him alone) there is now a green shovel (not his either), which he calmly holds up, with a motionlessness almost like that of stone or wood, like a raised index finger or a small blackboard on which something may be written in illegible sand grain script. Roland Barthes is mistaken, by the way, when he writes about toys. Current toys are made of a graceless material, the product of chemistry, not of nature. Many are moulded from complicated mixtures; the plastic material of which they are made has an appearance at once gross and hygienic, it destroys all the pleasure, the sweetness, the humanity of touch. . .   their very material introduces one to a coenasthesia of use, not pleasure. But when the wood-romantic speaks, let him not be rebuked. There are different grandparents, just as there are different children. This one, too, is well intentioned. But the plastic shovel and all the other things made of plastic will assuredly not drive humanity from human life. In our case plastic even supports and enables (human) community, precisely because it is so worthless. Whoever loses a shovel will find another one the next day. And lose sight of it the day after. Happily our baby (or another baby) will find it half hidden in the sand and use it to shovel with for a while. For our baby (or another one) appreciates the worth of the worthless. Our baby! So now he is already holding a shovel in his hand, what will he reach for a year from now? Do you remember the newborn baby? And all the other newborn babies without anything in their hand. Every one of them came into the world empty-handed – you know how they are, delicate as film, wrapped in bunting instead of lead foil, but coiled with the same miraculous brimming whatever-it-is: susceptibility, let’s say. That wobbly hot head. Those navy-blue eyes with pupils set at f/2. The wrists hinged on silk and the soles of the feet as tender as the eyelids – happy and fortunate grandfather poet (almost a father still) John Updike, your rhapsodizing is just right, this view of babies through the eyes of a fictive photographer in the blessed year 1969 (did, or does, that year not nearly coincide with our own year of birth?). A picture, a beautiful picture it would be, we and all the others in this big boundless sand box, the way we talk with the others or simply sit there, the children at our feet, it is warm, one would have to take the picture from all sides simultaneously (digitally, digitally, isn’t everything possible in the digital age?)! And as we lean back languorously, with our baby in our angle of vision, we hear it trickling, the eternal sand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Das Baby entlässt uns, schneller als uns lieb sein kann. Aber wir bemerken es nicht. Die Zeit für uns, Sinnvolles von unserem täglichen Meister zu lernen, ist kurz. Das Angebot des Babys, uns mitzunehmen in die tiefen und untiefen Bedingtheiten der Existenz und uns dort aufmerksam zu machen auf die Feinheiten und Grobheiten unseres Verhaltens, lässt sich nicht verlängern. Was wir im ersten Jahr nicht gelernt haben, können wir kaum je wieder zurückgewinnen. Jede Lektion wiederholt das Baby zur richtigen Zeit (seiner richtigen Zeit) einige Male, doch was vor sechs, acht, zehn Monaten von Bedeutung war, ist zwar nicht bedeutungslos geworden, aber nicht länger Teil des aktuellen Lehrplans. Das liegt nicht etwa an der Gültigkeit oder Ungültigkeit der anfänglichen Erkenntnisse, sondern daran, dass unser Baby nicht bleibt, was es gerade noch war, dass es anderes vorhat und sich durch nichts von seinem rasanten Tempo abhalten lässt, weiter und weiter aus sich herauszuschlüpfen. Seine Entwicklung ist unsere Entlassung. Unsere Entlassung: lässt uns das Wachstum unseres Babys nicht aufatmen? Ist nicht das erste Jahr das allerschwierigste Jahr, eine Herausforderung unserer Sinne, unserer Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, wie sie eigentlich doch nur von Meisterschülern bewältigt werden könnte? Waren wir nicht überfordert, zu begreifen, was sich gar nicht auf die gewohnte Weise begreifen ließ, von dieser so stillen und schlanken Lehre unseres Babys, die bisweilen so wirkte, als hätte sie keinen, nicht den geringsten Inhalt? Oder ist es seine Vollkommenheit, die uns vor den harten Kopf stößt, seine freundliche Offenbarung, die uns zu einfach, zu wenig denkbar, zu großherzig erscheint? Die Liebe der Väter zu ihren Kindern sei keine Sache des Anfangs, schreibt Michel de Montaigne. Er findet kein Verständnis für die Leidenschaft, mit der man die gerade erst geborenen Kinder zu herzen pflegt, obwohl sie doch weder seelische Regungen zeigen noch eine ausgebildete Körperform aufweisen, durch die sie sich liebenswert machen könnten; auch habe ich es nur widerwillig ertragen, daß man sie in meiner Nähe aufzog. Einer wie Montaigne ist unser gemeinsamer Vorfahre. Was er gedacht hat, ist auch in uns gedacht worden. Ausgerechnet ein Mann von hoher Bildung und Vernunftliebhaber erster Ordnung, ist nicht in der Lage das Offensichtliche zu sehen. Das Baby ist mehr als wir. Vielleicht zeigt es wirklich keine seelischen Regungen und ja, sein Körper ist unserem weniger ähnlich als ganz und gar von ihm unterschieden. Kinder und Tote haben keine Seele heißt es bei Robert Musil und weiter, Kinder und Tote sind noch nichts oder sie sind nichts mehr, sie lassen denken, daß sie noch alles werden können oder alles gewesen sind. Offensichtlich wäre: Babys sind bereits alles, jetzt, da sie in ihrer körperlichen Weichheit und Wärme, die noch nichts von dem späteren Widerstand des Körpers gegen die anderen Körper an sich haben, vor uns liegen. Und offenbar ist: die unverletzte, geteilte Seele des Babys, die eine ganz andere Seele ist, als die verletzte, ungeteilte, die der erfahrene, erwachsene Mensch als die je eigene empfindet, ist ein Affront für unsere Beschränktheit (in der unser ganzer Stolz sein Heim gefunden hat). Für das Baby ist die Liebe des Erzeugers zu dem von ihm Erzeugten insofern ein Glück, dieser Instinkt, den Montaigne als den zweitstärksten (nach dem der Selbsterhaltung) bezeichnet, ein ein für allemal in uns eingepflanzter Instinkt, der das Überleben des Babys sichert. Zwei große Männer, zweimal die gleiche große Angst? Hinzusehen auf das Baby, es zu berühren, ihm zu folgen: auch die Nachschulung großer Männer ist möglich: darin liegt wohl das Glück des Großvatertums. Wenn die Weichheit und Wärme zurückkehren in den eigenen Körper, der seine ausgebildete Form aufzulösen beginnt, zaghaft, aber entschieden. (Eine gute Spekulation: wie die hohe Lebenserwartung der Gegenwärtigen durch die Möglichkeit wiederholter Vaterschaft, Großvaterschaft beiträgt, dem Mannsein neue Konturen zu geben; ein besonderes Geschenk der Zeit, die den jungen Männern, Vätern immer zu knapp ist.) Montaignes Vaterschaft beginnt gewissermaßen zum falschen Zeitpunkt. Dann aber mit Großherzigkeit, Freigiebigkeit und einer gesunden Sichtweise auf den eigenen Tod, der den Ort für den Nachwuchs freimacht. Die echte, sinnvolle Zuneigung sollte erst in dem Maße aufkommen und sich entwickeln, wie uns die Kinder ihr Wesen erkennen lassen. Immerhin! Sind die ersten Jahre des Kindes ersteinmal verbraucht, kann die väterliche Zärtlichkeit endlich ihre Liebe vergießen. Doch an welches Wesen? Gemeint ist das Wesen des Kindes, das der Wesenlosigkeit des Babys folgt. Diese Sichtweise kann nicht ohne Folgen geblieben sein und bleibt bis heute nicht ohne Folgen. Es liegt auf der Hand (oder auf dem Wickeltisch): uns, so wie wir jetzt sind, im Vollbesitz (oder Fast- oder Halbbesitz) unserer geistig-seelischen Kräfte, geht etwas voraus, ist etwas vorausgegangen, das sich im Baby nicht finden (denn dann wäre es etwas Verborgenes), sondern schlicht sehen lässt, aber wie nur? Betrachtet man das Baby von oben, außen, als überlegter, kluger Mensch, muss es unsichtbar bleiben. Nur der Schüler kann es sehen. Oder der, der sich als Schüler dem Baby nähert, seiner ungezwungenen Meisterschaft, die die gesamte Leistung einer Kultur auf den Kopf zu stellen vermag, um etwas herauszuschütteln, für das es im besten Fall (und auch in allen anderen Fällen) ein freundliches Lächeln übrig hat. Das Baby pflegt im Gegensatz zu Montaignes Haltung seiner Wesenslosigkeit gegenüber kein Ressentiment gegen jede Form ausgebildeter Wesenhaftigkeit. Wer etwas sein will, muss, kann, der soll es sein. Die Großzügigkeit des Babys ist ungebrochen, natürlich auch dem sympathischen Montaigne zeigt es sie und zu Musil verbindet es sogar eine (wesensverwandte) Liebe zur Ganzheit, die sich durch keinen noch so präzise geschliffenen Gedanken abhalten lässt. Da sehen wir unser Baby herumlaufen und an einem Baum halt machen, vor einer Robinie im Schloßrondell und plötzlich beginnt es an der Rinde zu nagen, an diesem wulstig, rissigen Selbstschutz des Baumes und ebenso plötzlich erinnern wir uns an den Erste-Hilfe-Kurs für Babys und Kleinkinder, dessen Referent uns vor allerlei gewarnt hat, eben auch vor der Rinde der Rubinie, vor ihrer toxischen Wirkung und schon springen wir zu unserem Baby, um es vor der Schädlichkeit, die in diesem weitverbreiteten, anspruchslosen Baum lauert, zu behüten. Zu spät? denken wir. Nein, nicht zu spät: kleines Nagen / kann nicht schaden. Zu spät für etwas Anderes. So wie wir unser Baby nun von der Rubinie fortlaufen und vor uns davonwackeln sehen, denken wir wehmütig daran, womöglich schon Entlassene zu sein. Ein Prinzip der Babymeisterschaft scheint darin zu bestehen, uns unausgebildet zu entlassen, das heißt, von der Erlangung der Meisterschaft des Babys sind wir mindestens so weit entfernt wie von den erloschenen Sternen am Tag unserer Geburt. Aber wir greifen vor (weil wir eben so vorauseilend Spürende sind), noch ist unser Baby da, noch unterrichtet es uns, auch wenn die Einheiten kürzer geworden sind. Noch immer gilt in jeder Unterrichtstunde (die immer noch jede Stunde des Tages und der Nacht sein kann): sieh hin und schweige! Wir wollen so ehrlich sein wie Montaigne (dessen Ehrlichkeit diesen angenehmen Lesemodus seiner Schriften ermöglicht; kein Spiel mit dem Leser, kein Versteckspiel mit sich selbst) und am Ende dieses Tages (nein, noch nicht das Ende, die Sonne scheint warm, wärmer als in früheren Frühlingen, und unser Baby steht auf dem Gras um die Rubinien, Gras, das kräftig zu wachsen begonnen hat und unser Baby – noch ist es ja so leicht! – während es dort drüben steht, ein wenig anhebt und zum schweben bringt) bekennen wir also, dass wir statt in der Umarmung mit den Musen in der mit unserer Frau, unserem Mann ein vollkommen wohlgestaltetes Kind gezeugt zu haben vorziehen. Montaigne ist sich darin unsicher, oder neigt sogar dazu, das Erzeugnis mit den Musen vorzuziehen. Wir vermuten deshalb, weil er nie von einem, von seinem Baby entlassen wurde (sechs Töchter hatte Montaigne, nur eine von ihnen überlebte das Babyalter. Grausame Zeit, in der die Meister verstarben, bevor sie Schüler gefunden hatten).

 

 

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Wir wissen nicht, was die anderen denken, fühlen, glauben und hoffen, wenn sie das sind, was wir so unhübsch kreativ nennen, weil uns schöpferisch zu großspurig vorkommt (in einer Gegenwart, in der das meiste auf eine eigensinnlose Einheitsgröße zurechtgestutzt wird, die sich mit müder Bequemlichkeit pflegen und hegen lässt, die wächst, aber nicht zuviel, die im schlechten Sinn unsterblich ist, letztlich wahrscheinlich deshalb, weil sie niemandem wehtut, kein Glück beschert und keine Sorgen macht. Das ist eine ungerechte Betrachtungsweise – natürlich: gerechtes Urteilen aber ist die Sache derer, die nicht in sich vergnügt sind). Ich bin in mir vergnügt – man könnte das gesamte Leben in all seinen Äußerungen möglicherweise auf Bachkantaten herunterbrechen. Ich bin in mir vergnügt, so vergnügt, so verflucht vergnügt (was für ein kraftvoll zärtlicher Fluch!), dass ich einen Zusammenhang entdecke, den es schlimmsten Fall (kein schlimmer Fall) gar nicht gibt. Johann Sebastian Bachs schöpferisches Tun deckt diesen Fall zweifellos ab (oder es ermöglicht ihn sogar erst). Es gibt eine Verbindung und diese Verbindung ist die Folge einer Schöpfung. Verbindung derer und dessen, die und das auf den ersten Blick, auch auf den zweiten unverbunden zu sein scheinen. Die Schöpfung schließt niemanden aus, also können der eine Hörer und der andere Hörer sich ohne Anstrengung begegnen, wie uns (dem einen Hörer und der anderen Hörerin) einfach so gelingt, eine Verbindung herzustellen zwischen Bachs Bauernkantate und dem Wachstum unseres Babys, die uns so weit gehen lässt, dass wir sie ohne Hochmut und Größenwahn in Babykantate umtaufen, und uns als Argument für unsere übermütige Tat eine einzige Arie darin genügt. Aber vielleicht genügt uns auch viel weniger als Argument, allein diesen Zusammenhang zu entdecken, zu spüren – darin liegt soviel Überzeugungskraft, besonders viel, wie uns scheint, da Bach schon so lange Jahre, Jahrhunderte tot ist. Ein toter schöpferischer Mensch (seine unendliche Großzügigkeit) legt keiner Ahnung, keiner Mutmaßung, keiner Spekulation Steine in den Weg, die ganze Präsenz Bachs, die wir beim hören spüren, rührt her aus der Zeitlosigkeit einer Musik, deren Einordnung ins 18te Jahrhundert ihr nicht widersprechen kann. Auch dies eine Parallele zu unserem Baby, ein verwandter Gedanke, der uns höchst musikalisch vorkommt: Der Geburtstag unseres Babys im 21sten Jahrhundert scheint uns geradezu die Existenz dieses 21sten Jahrhunderts wenn nicht zu widerlegen, so doch zu karikieren. Seine Gegenwärtigkeit kennt kein Jahrhundert, auch wenn es überhaupt nichts gegen sein eigenes einzuwenden hat. Bach hören, besonders die Kantaten, besonders diese Babykantate, besonders diese eine Arie (in der wir ihren Herzschlag vermuten), ist jedesmal wieder neues, unverbrauchtes und unverbrauchbares Hören, zu dem sich das 18te Jahrhundert (das Wissen darum, dass es dieses Jahrhundert irgendwie gegeben hat, haben muss) verhält wie die Schmeichelei einer Heimat und ihr Rückruf dorthin, wo sie nicht ist und nie wirklich war. Die 212er Kantate! 212: ein Bus meiner Jugend trug diese Nummer, ein Bus, meist überfüllt am Morgen, wenn ich ihn benutzte, um aus dem Vorort in die Stadt zu fahren, um meinem unbefriedigendem Studium an der Universität nachzugehen und mit dem ich am Nachmittag wieder zurückkehrte, ohne Überfüllung, oder überfüllt nur mit Schweigsamkeit, denn keiner der Fahrgäste sprach, lachte, weinte, jauchzte, stöhnte. So war dieser Bus gleichsam das Gegenteil der (mir damals unbekannten) 212er Kantate, die die neue Obrigkeit mit einem großen Fest feiert, auf dem getanzt, gejauchzt und gejubelt wird. Hier die Busdepression meiner Jugend, dort die tönende Freude, deren Gegenwart niemals ein Ende finden wird. Beides mehr oder weniger zufällig mit der Zahl 212 verbunden. Bestimmt ging und geht man bei der Numerierung von Busslinien systematischer vor, als man bei der Numerierung von Bachkantaten vorgegangen ist, ein weiterer Vorteil dieser Gattung, die uns Spätere, Unvertraute mit dem Kirchenjahr und seinen sonntäglichen und festtäglichen Anforderungen, leicht schwindlig werden lässt. Ja, unser Schwindel gereicht uns zum Vorteil, er lässt uns durch Bachs Kantatenwerk schlingern und Vermutungen anstellen, die uns bei deutlicherer Numerierung (wären etwa Zeit und Zahl der Kantaten synchronisiert) schwerfielen. Überhaupt können wir ruhig zugeben – und damit von diesen Äußerlichkeiten zu den Innerlichkeiten kommen -, macht uns das Bachhören leicht betrunken und dabei spielt es keine Rolle, dass unsere Babykantate eine weltliche und nicht geistliche Kantate sein soll (auch das ist eine Trennung, der wir durch und durch Weltlichen nur mit Fassungslosigkeit oder theoretischem Nicken begegnen können). Textlich ist die Arie in der 212er Kantate kurz wie alle Arien, Duette, Rezitative oder auch Chorale kurz sind. Aber kurz bedeutet manchmal eben ganz und gar nicht kurz. Nur hingeschrieben ist diese Arie kurz: Dein Wachstum sei feste / Und lache vor Lust! / und dann: Deines Herzens Trefflichkeit / Hat dir selbst das Feld bereit`, / Auf dem du blühen mußt. Hört man die Arie, wird aus der Kürze dann nicht etwa Länge – oder Länge nur als wieder- und wieder- und wieder- und wiederholte Kürze. Die Arie schraubt sich beim hören in uns hinein, tiefer und tiefer, als müsste in uns erst ein Grund angestochen werden, auf dem wir fähig zu Resonanz sind. Aber dann, einmal geöffnet, fluten uns die ersten beiden Zeilen mit einer Macht und Gewalt, durch die wir nichts als kurzweilig endlosen Genuß empfinden. Um so mehr, da wir beim hören immer unser Baby im Blick haben und den zupackenden Imperativ der ersten beiden Verse im Elternherz: Dein Wachstum sei feste und lache vor Lust! Genau das wünschen wir unserem Baby, das feste, vertrauende, in allen Irrungen unbeirrbare Wachstum, unterstrichen vom Lachen aus Lust, aus Lust darüber, feste, feste, feste zu wachsen. Das also ist das Herzstück der Babykantatenarie, simpel formuliert, ohne Hürden für jedes Denken und doch wahrscheinlich nur verständlich dem, der sich der Bachschen Balance zwischen Wahnsinn und Wahrheit hinzugeben vermag. Hierin ist Bach Meister. Wahnsinn und Wahrheit sind die beiden Seiten der Wippe, deren (hin und hergerissener) Angelpunkt wir sind. Nur die Musik, die musikalische Darbietung des doppelten Imperativs (der am Ende gar keiner ist) macht fühlbar, was in den Tiefen unserer Seelen irgendwann in schweren Schlummer gesunken ist. Betrachten wir unser Baby (das tatsächlich beim Kantatenhören in einen etwas kantigen Hüftenwipprhythmus verfällt) ist augenfällig, dass es, was ihm die Arie zuruft (in diesen starken, kleinen, gesilbt gesungenen, typisch bachschen Portionen) ohne Mühe gewissermaßen als Lebenskonzept mit in die Welt gebracht hat. Unser Baby wächst feste und lässt sich, was das Lachen vor Lust angeht, nicht lumpen. Im zweiten Teil der Kantate gibt es dann den sanfteren (und auch unsicheren) Ausblick in die Zukunft. Hat das Baby einen Ort, auf dem es wahrhaftig gedeihen und zur Blüte kommen kann, so kann dieser Ort nur sein eigenes treffliches Herz sein. Hier ist das bestellte Feld, auf dem es wachsen und blühen kann, woanders kann es (was die Musik verschweigen muss) alles Mögliche tun, sogar wachsen, sogar blühen, aber es wäre nicht mehr dasselbe Wachsen und Blühen, das uns der Anfang beschert hat. (Später am Abend sehe ich mich noch einmal im 212er Bus sitzen, es kommt mir so vor, als hätte ich meinen ersten Discman bei mir und in meinen Kopfhörern würde die Babykantate erklingen, genau die Stelle mit dem festen Wachstum und ich sehe, wie ich mich irritiert umblicke und erkenne, dass ich der einzige Fahrgast in diesem Bus bin und, eigentlich gar nicht verwunderlich, Busfahrer gibt es auch keinen. Dann sind plötzlich die Batterien des Discman leer und ich höre nur noch einen Herzschlag, einen schnellen Herzschlag, den schnellen Herzschlag eines Babys.) (Noch später am Abend, mitten in der Nacht: Wir wissen nicht, was die anderen denken, fühlen, glauben und hoffen, wenn sie schöpferisch sind. Nah bei Gott. Bach und Baby – ähneln sie sich in ihrer schöpferischen Wiederholung? Bach hat unsere Arie schon einmal zum Einsatz gebracht. Dreizehn Jahre vor der Babykantate in der Streitkantate Geschwinde ihr wirbelnden Winde um den herrlichsten Gesang. Ein Streit zwischen Phoebus und Pan. Zu Tanze, zu Sprunge, so wackelt das Herz hieß damals unser Dein Wachstum sei feste und lache vor Lust. Mit der selben Musik anderen Text zu bekleiden, kommt mir verwegen vor, unkreativ, unschöpferisch. Nicht genial, aber auch nicht pragmatisch, schon gar nicht nachlässig oder faul. Ich bin ein bißchen empört. Auch, weil ich sie nicht zu fassen kriege, diese schamlose Verwandlung. Diese raffinierte Schöpfung, die sich aus sich selbst heraus noch einmal, neu schöpft. Hinter Bach muss ein Baby stecken. Mit hüpfendem Herz.)

We don’t know what others think, feel, believe, and hope when they are being what we agree to call “creative” in that diminished sense given to a once large word by a time when most things are whittled down to a one-size-fits-all dimension that can be fostered and cultivated in a sleepy sort of way, that grows, but not too much, that is immortal in the sense that it simply goes on, probably because it doesn’t hurt anyone, makes no one happy, and causes no concern. That’s an unfair view of it — of course: but fair judgment is the business of people who are content within themselves. Ich bin in mir vergnügt — one could almost break down the entirety of life in all its expressions to the titles of Bach cantatas. I am content within myself, so content, so damned content (what a powerfully tender curse) that I have discovered an interconnection that may at worst (and that worst case would not be a bad thing) not hold true. Johann Sebastian Bach’s creative work surely covers this case (or even enables it in the first place). There is a connection and this connection is the result of a creation. A connection between those who and that which at first glance and even at second glance seem unconnected. The creation excludes no one, so any one listener and any other may meet without effort, just as we (this one and this other listener) find it not hard at all to establish a connection between Bach’s Peasant Cantata and the growth of our baby, which allows us to go so far as to call it, without presumption or megalomania, the Baby Cantata, with a single aria as fully sufficient support for our bold decision. But perhaps much less than an argument is needed, but simply the feeling of having discovered this connection — there is more than enough to convince us in that, all the more so as Bach has been dead for so many years and centuries. A dead creator (his infinite generosity) places no obstacles in the way of any hunch, any supposition, any speculation. Bach’s entire contemporameity, which we feel as we listen, derives from the timelessness of his music, a fact that is not refuted by its provenance in the 18th Century. Here too there is a parallel to our baby, a related idea that strikes us as highly musical: our baby’s birthday in the 21st Century may not exactly refute this 21st Century but does seem to lampoon it. His presence in the present day needs and knows no century, even though he himself has no objection to being present. Listening to Bach, especially the cantatas, especially this Baby Cantata, especially this one aria (in which we believe we can discern its heartbeat) is each time a new, unspent, inexhaustible hearing that bears the same relationship to the 18th Century (the knowledge that such a century somehow existed and must have existed) as does the moment — any moment — to the inveiglements of a homeland calling us back to where it neither is nor ever really was. The 212th Cantata! 212: A bus from my younger days bore this number, a bus that was usually overcrowded in the mornings when I used it in order to get from the suburb to the city in order to pursue my unsatisfactory studies, and on which I returned in the afternoon, when it was uncrowded, or crowded only with reticence, for none of the passengers spoke, laughed, wept, cheered, groaned. So this bus was in a sense the opposite of the 212th Cantata (which I had not heard yet), which celebrates the new authorities with a great feast full of dancing, cheering, and jubilation. Here the bus depression of my youth, there the sound of joy itself, whose presence will never come to an end. Both more or less accidentally connected by the number 212. No doubt those who arrange the numeration of buses proceed more systematically than those who numbered Bach’s cantatas, an additional advantage of this genre, which makes us latecomers, unfamiliar with the liturgical year and the requirements of its special Sundays and feast days, slightly dizzy. Indeed our dizziness is to our advantage, for it allows us to lurch through Bach’s choral work making suppositions that would be difficult to entertain if the numbering were clearer (as it might be if the time and number of the cantatas were synchronized). In fact we might as well admit — and thereby move from these externals to the inner reality — that listening to Bach makes us slightly drunk, and it makes no difference that our Baby Cantata is supposed to be a worldly and not a religious cantata (that too is a distinction to which we thoroughly worldly beings can only respond with bewilderment or with theoretical nods). Textually, the aria in the 212th Cantata is short in the way all arias, duets, recitatives and also chorals are short. But short sometimes means not short at all. The aria is only short as a sequence of words: May your growth be steady / And laugh for joy! / And then: Your heart’s excellence / has tilled the field / On which you shall flourish! When one hears this aria, this brevity does not become length — or length only as a brevity that is repeated and repeated and repeated again. The aria turns and winds its way into us as we listen, deeper and deeper, as if to reach a ground within us where are capable of resonance. But then, once we are opened, the first two lines flood us with a force and a power by which we feel nothing but endless self-refreshing enjoyment. All the more so, as, while we listen, we always have our baby in view and feel the gripping imperative of the first two verses in our parental heart: May your growth be steady and laugh for joy! That is exactly what we want for our baby, that his growth may be steady, trusting, unerring amid what confusions may come his way, underscored by laughter that comes from the joy of steady, steady, steady growth. This, then, is the heart of the Baby Canata’s aria, simply formulated, presenting no barrier to thought and yet probably understandable only to those who can give themselves over to Bach’s balance between madness and truth. This is where Bach’s mastery lies. Madness and truth are the two sides of the seesaw, whose (always teetering) pivot we are. Only music, the musical performance of the double imperative (which ultimately is not imperative at all) makes palpable that depth in our souls that at some time fell into a deep slumber. Observing our baby (who while listening to Bach is actually lapsing into a somewhat angular swiveling motion of his hips) it becomes obvious that what the aria is calling out to him (in these strong, small, syllabically sung, typically Bach-like portions) is something he effortlessly brought into the world with him, as his life’s motto, as it were. Our baby is growing steadily, and where laughing for joy is concerned, he is not to be outdone. In the second part of the cantata there follows a gentler (and also less certain) outlook on the future. If there is a place for our baby to truly thrive and flourish, that place can only be his own excellent heart. Here is the tilled field on which he can grow and flourish. Where else (and the music must keep this secret) can he do everything possible, even grow, even flourish, but it would no longer be the same growing and flourishing that the beginning bestowed on us. Later in the evening I see myself in the 212 bus again, it seems to me that I have my first Discman with me and that the Baby Cantata is sounding in my headset, precisely the part about the steady growth, and I see myself looking around, a bit puzzled, and realize I am the only passenger on the bus and that, not really surprisingly, no one is driving the bus either. Then suddenly the batteries of the Discman have died and I hear only a heartbeat, a quick heartbeat, the quick heartbeat of our baby.) (Still later in the evening, in the middle of the night: We don’t know what the others think, feel, believe, or hope when they are creative. Bach and Baby — do they resemble each other in their creative repetition? Bach had already deployed our aria on an earlier occasion. Thirteen years before the Baby Cantata in the glorious Swift you whirling winds, or The Dispute between Phoebus and Pan. Instead of our May your growth be steady and laugh for joy , the earlier lines are Dancing and leaping, thus waggles the heart. Using the same music to clothe different words strikes me as brazen, indeed uncreative. Not brilliant, but also not pragmatic, and certainly not perfunctory or lazy. I am slightly indignant. In part because I cannot grasp this shameless transformation. This subtle creation that creates itself anew out of itself. Somewhere behind Bach there must be a baby. With a leaping heart.)

 

 

 

 

Das zweite Jahr

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„Denken wir etwa an die ersten selbständigen Laufschritte des Kindes, bei denen es erstmals die haltende Hand der Mutter loslassen und die Angst vor dem Alleingehen, vor dem Alleingelassenwerden im freien Raum überwinden muß.“ Die kleinen Fehler kommen mir nicht wie eine Kleinigkeit vor. Die kleinen Fehler sind aber auch nicht die großen Fehler. Am Anfang, in der Einleitung zu Fritz Riemanns berühmtem Buch Grundformen der Angst steckt so ein kleiner Fehler, der nicht nur ein Detail betrifft, keine Nachlässigkeit ist, nichts Zufälliges, sondern etwas Grundsätzliches verrät, etwas durchaus übliches Grundsätzliches, was durchaus als Übel bezeichnet werden kann, ein Übel, das geschieht, in der Welt ist, schon lange, immer wieder, ständig auftaucht und selbst von den redlichsten Vorsätzen übersehen wird. Das ist die Trennscheide: Sehen oder Denken. Riemann lässt uns an die ersten Schritte des Kindes denken, er spricht nicht davon hinzusehen, wie das Baby zu den ersten Schritten findet, gönnt uns und sich nicht die Betrachtung, die gespannte, mitfreudige, faszinierte Beobachtung eines ebenso natürlichen wie wundersamen Vorgangs, der sich tage- und wochenlang vorbereitet und dann doch unvermutet geschieht. Das Gehen ist so sehr Teil der Menschwerdung (keinen kriechenden, auf allen Vieren laufenden Menschen, er könnte noch so begabt und klug sein, würden wir vollends respektieren und ernst nehmen. Wer das Tier – das, was wir für ein Tier halten – nicht ablegt, überwindet, sich aus ihm heraus in die Vertikale erhebt, der gehört nicht zu uns und würde uns auf alle Zeiten verdächtig bleiben), dass es deshalb so sehr gewünscht und meist forciert wird. Dem Baby wird eine Unterstützung angeboten, um die es nie gebeten hat. Beginnt es zu laufen, atmen die Eltern durch und um so eher es laufen kann, desto schneller, besser scheint seine Entwicklung voranzugehen. Die größte Angst gilt der Vorstellung, das eigene Kind würde zu spät laufen, oder am Ende überhaupt nicht laufen, also werden ihm erwachsene Hände gereicht und es wird hochgezogen und dann läuft es unter motivierenden Worten mit nach oben gestreckten Armen als wären das die Fäden, an denen es hängt, hängen muss. Die Erwachsenen tarnen ihre Angst gerne als Hilfe, als Förderung und Unterstützung. So gewinnt eine denkwürdige Verdrehung Raum, sich auszubreiten. Ein Baby wird sich selbst aufrichten, sich selbst in Schritten versuchen, bar jeder Hilfe seiner Eltern, auch deshalb, weil es keine Angst mitbringt, seiner eigenen Entwicklung im Weg zu stehen. Es fördert und unterstützt sich selbst am allerbesten, denn nur das Baby allein weiß um den richtigen Zeitpunkt (und macht sich keine Sorgen, falls der richtige Zeitpunkt der falsche sein sollte, dann sinkt es eben wieder auf die Knie und rutscht und krabbelt weiter herum, bis es den nächsten richtigen Zeitpunkt spürt und ihm folgt). Riemann scheint keine Zeit gefunden zu haben, diesen Vorgang des Sichaufrichtens und Losgehens ausführlich zu studieren. Höchstens wie ein aus einem nebenbei geblickt entstanden wirkt sein Gedankengang, mehr noch, als käme er gänzlich ohne Blick aus und das bei einer Angelegenheit, die nur und ausschließlich im Sichtbaren stattfindet, – wie lässt sich dies übersehen? So ein Kind also stellt Riemann seinen Lesern vor: ein Kind, das an der Hand seiner Mutter seine ersten Schritte unternimmt, an ihrer Hand zu laufen beginnt. Und dann lässt es die Hand dieser Mutter los, ja, muss sie loslassen, muss seine Angst vor dem Alleingehen überwinden, und gleich noch muss es die Angst vor dem Alleingelassenwerden im freien Raum mit überwinden. Aus dem wunderbaren, wiederholten Ereignis des selbständigen Gehens wird in Riemans Worten eine durch und durch angsterfüllte Sache und das Baby (das wir kennengelernt haben als ein Wesen, das alles Neue aus Lust und Vergnügen und mit Lust und Vergnügen beginnt), sieht sich vor eine fast titanische Aufgabe gestellt, will es zu laufen beginnen: es muss sich in seiner Angst überwinden! Aber das Kind sucht nicht die Hand der Mutter (oder des Vaters oder sonst jemandes Hand), diese helfende Hand ist von Riemann dazugedacht, herbeifantasiert und fast möchte man glauben, herbeifantasiert aus einer ängstlichen Unruhe heraus, die der Selbständigkeit des Babys, seinem unabhängigen Wesen, das alles weiß über die Eigengesetzlichkeit seiner Entwicklung entgegengebracht wird, einer Skepsis, die waltet, wo sorgsam teilnahmsloses Schauen genügen würde. Noch deutlicher: das Denken („Denken wir etwa an die ersten Laufschritte des Kindes …“) bringt die Angst mit, bringt sie erst ins Spiel, wo keine Angst ist, wird Angst unterschoben, zu einer fürchterlichen Grundlage des Lebens und seiner Beweglichkeit, jetzt, schon zu Beginn, da das Baby doch das angstloseste Wesen überhaupt ist, wie sonst hätte es sich in die Welt trauen, sich auf die Welt bringen lassen können? So verkehrt sich die (schon nicht ganz unzwielichtige) Absicht der Hand in ihr Gegenteil. Gut, dass einiger Grund zur Hoffnung besteht, dass das Baby seine ganze Schlauheit ins Spiel bringt, was diese Hand betrifft, auch wenn es sie ergreift, eine Schlauheit, die es davor bewahrt, etwas zu spüren, das es nicht spürt, das nicht sein eigenes Spüren ist. Schlecht, dass die Hand oft genug Wirkung zeigen wird. Vielleicht haben zu Riemanns Zeit alle Kinder an der mütterlichen Hand das Laufen gelernt, aber hätte er nicht gerade dann stutzig werden müssen? Kann doch das Allgemeine niemals das Natürliche sein, das, was alle tun ist ja das Fragwürdige schlechthin; aber es scheint mir eher wahrscheinlich, dass zu Riemanns Zeit die wenigsten Kinder an der mütterlichen Hand das Laufen gelernt haben, dass weder Zeit noch Muße dazu vorhanden war, genauso wie sich keine Zeit und Muße fand, die Kinder in ihrem Ansinnen, laufen zu wollen, einfach nur zu betrachten. Spätestens nun hätte auffallen können, dass selbst das Kind, das die mütterliche Hand loslässt, dies mit einem alles andere als entsetzten Ausdruck im Gesicht tut, dass kein Entsetzensschrei über seine Lippen fliegt, sondern mindestens ein Jubelschrei. Das Rätsel des kleinen Fehlers ist deshalb auch ein Mysterium. Wie kann das Naheliegende, Offenbare übersehen werden? Das Sichtbare ist alles andere als gehemmt, es zeigt sich, wenn es sich zeigen mag. Unser Baby findet mühelos oder mühevoll seinen eigenen Weg zum laufen, unsere Hilfe dabei ist wahrlich überflüssig, allein es davor zu bewahren, in einen Abgrund zu stürzen, ist unsere Sache. Das Sichtbare ist unaufdringlich, macht kein Geschrei, deutet nicht auf sich selbst, geschieht. Will unsere Hand Hilfe leisten, wo sie keine Hilfe leisten soll, wischt sie gleichsam das Sichtbare weg. Und schafft Platz für die unsichtbare Angst, deren Auftauchen umso gruseliger ist, da sie kein Gesicht trägt, an dem sie erkannt werden könnte. Das ist der Grusel der Abstraktion (die doch so gern genau von diesen Eindrücken frei sein möchte). Schon jeder aufmerksame Blick in die Welt theoretisiert, heißt es bei Goethe im Vorwort zur Farbenlehre: „Dieses [Theoretisieren] aber mit Bewußtsein, mit Selbstkenntnis, mit Freiheit und, um uns eines gewagten Wortes zu bedienen, mit Ironie zu tun und vorzunehmen, eine solche Gewandtheit ist nötig, wenn die Abstraktion, vor der wir uns fürchten, unschädlich und das Erfahrungsresultat, das wir hoffen, recht lebendig und nützlich werden soll.“ (Zweifellos ist Fritz Riemanns  Grundformen der Angst ein gutes, nützliches Buch für uns Spätere, wenn sich die Angst längst ins Leben eingefressen hat, sie schon unser Lebenspartner und eine innige Gewohnheit geworden ist. Ein Buch, das uns gut bei ihrer vierfachen Austreibung helfen kann, vielleicht aber auch nicht im geringsten, weil die Angst und das beginnende Laufen des Kindes sich in einem anderen Sinn wenig unterscheiden. Die eine wie das andere entsteht, wenn und wann es will, aber das Laufen bietet der Angst keine Hand, keinen Halt, umgekehrt jedoch kann es der Angst nur nützlich sein, wenn sie zu laufen lernt.) (Unserem Baby gefällt dieses Thema nicht so gut, warum sonst versucht es sich gerade, stehend, sich im Kreis zu drehen? Überdeutlich sehen wir: es sieht uns zu, wie wir ihm dabei zusehen. Es will unbedingt, dass wir sehen, was es da auf dem roten Teppich treibt.)

“Let us think, for example, about the first independent steps a child takes. It must let go of its mother’s supporting hand, must face the fear of walking alone, of being left alone in wide open space.” The little mistakes don’t strike me as trivial. But the little mistakes aren’t the big mistakes either. In the beginning, the introduction of Fritz Riemann’s famous book, The Basic Forms of Fear, there is one of these little mistakes, which does not merely consist of a detail, is not due to carelessness or an accident, but reveals something fundamental that unquestionably deserves to be called bad, an evil that is happening, that exists and has existed in the world for a long time, that constantly crops up and is overlooked even by the most honest intentions. This is the razor’s edge: Seeing or thinking. Riemann invites us to think the first steps of a child. He does not talk about looking at a baby as it finds its first steps, he begrudges us and himself the curious, delighted, fascinated observation of a process that is as natural as it is wondrous, that prepares itself for days and weeks and then happens unexpectedly nonetheless. Walking is such an essential part of becoming human (we could never completely respect and take seriously a human being, no matter how gifted or smart, who crawled or walked on all fours. Whoever does not shed the animal – that which we consider an animal – who does not overcome, rise from and above the animal vertically, is not one of us and would forever remain suspect in our eyes) that it is for that very reason intensely desired and usually enforced. The baby is offered support it has never asked for. Once it starts walking, its parents breathe a sigh of relief, and the sooner it can walk, the faster and the better its development seems to be progressing. The greatest fear is aroused by the thought that one’s own child might be late in walking, or ultimately not walk at all; so adult hands are held out to the child, it is pulled up to its feet, and then it walks among encouraging words with its arms stretched upward, as if those words were the threads by which he hangs, and must hang. Adults like to disguise their fear as help, as encouragement and support. In this way, a remarkable distortion is given space in which to spread. A baby will sit and stand up by itself, will attempt its own steps without help from its parents, not least because it does not come with fear of standing in the way of its own development. It encourages and supports itself better than anyone else can, for the baby alone knows the right moment (and is not worried, for if the right moment turns out to be the wrong one, it will sink to its knees again and slide and crawl, until it senses the next right moment and follows it). Riemann seems not to have found time to thoroughly study this process of rising to one’s feet and beginning to walk. His line of thought sounds at best as if it arose from an incidental glance; but actually it sounds more as if it managed to get by without any direct seeing whatsoever, and this in a matter that only and exclusively takes place in plain view – how could it possibly be overlooked? So this is the kind of child Riemann introduces to his readers: a child that is led by its mother’s hand as it takes its first steps and learns how to walk. And then the child lets go of its mother’s hand, must indeed let her hand go, must overcome its fear of walking by itself, and in addition it must overcome its fear of being abandoned in wide open space. Out of the wonderful, repeated event of autonomous walking, Riemann’s words create a thoroughly fear-filled scenario, and the baby (whom we have gotten to know as a being who approaches everything new out of pleasure and joy and begins everything new in the same spirit) sees itself faced with a nearly titanic task, if it wants to start walking: it must subdue its own terror! But the child does not seek its mother’s hand (or its father’s or anyone else’s hand); this helping hand is an invention, a fantasy added by Riemann, and one is tempted to say it is a fantasy that springs from an anxiety that an adult brings to the baby, to its independent nature, which knows everything about the autonomy of its own development; a skepticism that prevails where caring and empathetic observation would be sufficient. Even more clearly put: Thinking (“Let us think, for example, of the first independent steps a child takes . . .”) comes with fear, it is thinking that introduces fear in the first place; where there is no fear, fear is imputed, insinuated as a dreadful foundation of life and its mobility, now, right at the start, when a baby is actually the most fearless creature imaginable. Otherwise, how could it have dared to come into the world, to allow itself to be brought into the world? Thus the (already not entirely unimpeachable) intention of the hand turns into its opposite. How good that there is reason for hope that the baby will bring its shrewdness to bear, as far as this hand is concerned, even as it holds on to the hand, a shrewdness that protects it from sensing something it doesn’t sense, that is not its own sensing. Too bad that the hand will show its effect often enough. Perhaps at the time when Riemann lived and wrote, all children learned how to walk at their mother’s hand, but should that not have aroused his suspicion? Because the general rule can never be the way of nature; what everyone does is dubiousness itself; but it strikes me as more likely that only very few children in Riemann’s time learned how to walk at their mother’s hand, that mothers had neither time nor leisure to do more than watch their children as they made their first attempts at walking. But granted all that, surely it should have been obvious that even a child who lets go of its mother’s hand does not do this with a terrified facial expression, that no cry of terror escapes the child’s lips, but rather, at least, a cry of delight. So the riddle of the little mistake is also a mystery. How can the obvious be overlooked? The visible is anything but inhibited, it shows itself when it will. Our baby finds his own way to walk, with and without effort, our assistance in this is truly superfluous, our only job is to prevent him from falling into an abyss. The visible is undemonstrative, doesn’t make a hue and cry, doesn’t point to itself, it happens. If our hand wants to help where no help is needed, it sweeps the visible away, as it were. And opens a space for the invisible fear whose arising is all the more eerie as it wears no face by which it could be recognized. That is the fearsomeness of abstraction (which aims precisely to be free of such impressions). Every attentive gaze into the world is already a theorizing, according to Goethe in the Foreword to his Color Theory: “But to do this [theorizing], to carry it out with awareness, with self-knowledge, with freedom and – dare we say! – with irony: great skillfuness is needed if the abstraction that we fear is to be made harmless, and if the experiential result that we hope for is to become alive and useful.” (No doubt Fritz Riemann’s The Basic Forms of Fear is a good and useful book for us later ones, after fear has long since eaten its way into our lives and has become our intimate partner and a familiar habit. A book that may help us achieve the fourfold expulsion of fear, or may on the contrary not help us at all, because there is another sense in which fear and the child’s first steps are hardly different from each other. Each comes into being if and when it will, but walking does not hold out a hand to fear, does not offer it support, but inversely, fear may very well be aided if it learns to run.) (Our baby does not like this theme very much, otherwise why would he just now, while standing, try to turn in a circle? We see with extreme clarity: he is watching us watch him as he does this. He absolutely wants us to see what he is doing on the red rug.)